Joint rauchen
picture alliance/dpa | Karl-Josef Hildenbrand
Joint rauchen
Experte hält Gefahr für gering

Ungewollt berauscht: Macht Passivrauchen von Cannabis high?

Mit der Legalisierung von Cannabis kann auch in Kneipen, Clubs und Biergärten ein Joint geraucht werden. Was passiert, wenn man den Rauch ungewollt einatmet? Wird man davon bekifft?

Unfreiwillig high durch Cannabis-Rauch?

Seit Ostermontag (1. April 2024) ist der Konsum von Cannabis in Deutschland für Erwachsene legal. Jede erwachsene Person darf bis zu 25 Gramm Cannabis besitzen und mit sich führen, zu Hause sind es bis zu 50 Gramm. Außerdem dürfen in der eigenen Wohnung drei Cannabispflanzen zum Zwecke des Eigenkonsums gezüchtet werden. Doch für das Rauchen eines Joints in der Öffentlichkeit gibt es bestimmte Regeln.

Hier darf nicht gekifft werden:

  • Rund um Schulen, Kitas, Spielplätze und öffentliche Sportstätten ist Kiffen in einem Radius von 100 Metern verboten.
  • Auch tagsüber in der Fußgängerzone zwischen 7 und 20 Uhr ist der Cannabis-Konsum nicht erlaubt. 

Grundsätzlich gilt es Kinder und Jugendliche zu schützen und somit ist der Konsum "in unmittelbarer Gegenwart von Personen, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben" verboten.

Wie sieht es jetzt aber mit Erwachsenen aus, die kein Cannabis konsumieren (wollen)? Wird man vom Passivrauchen im Biergarten oder in der Kneipe high?

Laut Drogenforscher Bernd Werse von der Frankfurter Goethe-Universität ist die Gefahr eher gering. Entscheidend sei, wie viel im Umfeld tatsächlich gekifft werde. Ein einzelner in einer Kneipe gerauchte Joint habe auf passive Konsumenten wohl keinen Effekt. "Hält man sich allerdings in einem kleinen Raum auf, in dem viele Joints gleichzeitig kursieren, wird man wahrscheinlich auch durch den Passivrauch einen gewissen Rausch abbekommen", sagt der Drogenexperte im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur.

Insgesamt hält Werse diese Gefahr aber für wenig gravierend, im Freien bestehe sie "quasi überhaupt nicht". Unabhängig davon hatte ein Experiment der Universitäten Mainz und Jena schon 2010 gezeigt, dass der mehrstündige Aufenthalt in einem niederländischen Coffeeshop die THC-Werte im Blut von acht nicht kiffenden Probanden nicht ernsthaft erhöhte.

Fragen & Antworten zur Cannabis-Legalisierung

Was gilt genau?

Cannabis verschwindet von der Liste der verbotenen Substanzen im Betäubungsmittelgesetz. Wer 18 und älter ist, darf zu Hause bis zu 50 Gramm aufbewahren und draußen maximal 25 Gramm mit sich führen. Es geht explizit um den Eigengebrauch. Weitergabe und Verkauf bleiben verboten. Zu Hause - nicht im Kleingarten - dürfen außerdem drei Pflanzen angebaut werden. Samen, Pflanzen und geerntetes Cannabis müssen gegen Diebstahl und vor dem Zugriff von Kindern geschützt werden, beispielsweise mit abschließbaren Schränken und Räumen.

50 Gramm - ist das viel?

Aus einem Gramm Cannabis können nach gängiger Einschätzung ungefähr drei Joints gedreht werden - je nach persönlicher Dosierung auch mehr oder weniger. 50 Gramm wären also 150 Joints. Aus Sicht der Legalisierungsgegner ist das viel zu viel. 50 Gramm pro Monat, die Menge, die die künftigen Anbauvereine an ihre Mitglieder abgeben dürfen, nennt die Bundesärztekammer «eine relevante Menge», «die einem Hoch-Risiko-Konsum entspricht und zu cannabisbezogenen Störungen führt». Das Gesundheitsministerium argumentiert, es müsse auch legales Cannabis in größerer Menge da sein, wenn man den illegalen Schwarzmarkt ausstechen will.

Was ist mit Konsum in der Öffentlichkeit?

Wo es nicht explizit verboten ist, darf gekifft werden. Verboten ist es auf Spielplätzen, in Schulen, Sportstätten, also auch Fußballstadien, Kinder- und Jugendeinrichtungen und jeweils in Sichtweite davon - in 100 Metern Luftlinie um den Eingangsbereich. Fußgängerzonen sind zwischen 7.00 und 20.00 Uhr ebenfalls kifffreie Zonen.

Außerdem ist der Konsum verboten «in unmittelbarer Gegenwart von Personen, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben». Tabu ist es also, sich einen Joint an einer Bushaltestelle voller Schulkinder anzustecken oder im Garten vor den eigenen minderjährigen Kindern, genauso wie vor einem Kino, wo auch Jugendliche warten. In Raucherkneipen entscheiden die Inhaber, wie sie damit umgehen.

Und wie sollen die Regeln kontrolliert werden?

Das ist ähnlich wie beim Sicherheitsgurt im Auto oder Handy-Telefonieren am Steuer - man muss schon erwischt oder angezeigt werden. Dass Ordnungsämter und Polizei im großen Stil Cannabis-Streifen losschicken, ist schon aus Personalgründen unwahrscheinlich.

Welche Strafen drohen bei Verstößen?

Empfindliche Geldbußen und auch Gefängnis sind möglich. Wer etwa die Gramm-Vorgaben zum Besitz leicht überschreitet, riskiert ein Bußgeld. Dass kann laut Gesetz allerdings mit bis zu 30.000 Euro saftig ausfallen. Werden sogar mehr als 30 Gramm im Rucksack, mehr als 60 Gramm zu Hause oder mehr als drei Pflanzen in der Wohnung gefunden, greift das Strafrecht: Es droht im schlimmsten Fall Gefängnis.

Das gilt besonders für die Weitergabe der Droge an Kinder und Jugendliche. Wer kifft, wo kiffen nicht erlaubt ist - also auf oder in der Nähe von Spielplätzen, tagsüber in der Fußgängerzone oder in der Nähe von Kindern und Jugendlichen - begeht zwar nur eine Ordnungswidrigkeit, riskiert aber ebenfalls empfindliche Bußgelder bis zu 30.000 Euro.

Und was passiert, wenn Minderjährige konsumieren?

Werden unter 18-Jährige mit Cannabis erwischt, muss die Polizei die Eltern informieren. Insbesondere wenn es sich um sehr junge Konsumenten mit sogenanntem riskantem Konsumverhalten handelt, muss auch das Jugendamt eingeschaltet werden. Die Betroffenen sollen dann an Präventionsprogrammen teilnehmen. Jugendliche müssen aber auch mit strafrechtlichen Konsequenzen rechnen, wenn die gefundenen Mengen die bei Erwachsenen erlaubten Mengen übersteigen, wenn sie dealen oder die Droge an andere Kinder und Jugendliche weitergeben.

Wie soll das mit den Cannabis-Clubs laufen?

Sie dürfen erst zum 1. Juli mit dem Anbau von Cannabis beginnen und es gelten strenge Regeln: Die Clubs müssen mindestens 200 Meter von Schulen, Kitas, Spielplätzen und anderen Kinder- und Jugendeinrichtungen entfernt sein, dürfen nicht in Wohngebäuden untergebracht sein und nicht durch auffällige Schilder oder anders für sich werben.

Der Konsum in den Anbauvereinigungen, wie sie im Gesetz heißen, ist ebenfalls tabu. Anbauflächen und Lager müssen gesichert werden. Die Vereine dürfen maximal 500 Mitglieder haben und Cannabis in begrenzten Mengen nur an diese Mitglieder abgeben, nicht verkaufen. Die Droge darf nur in einer neutralen Verpackung mit Beipackzettel abgegeben werden, der Informationen zu Gewicht, Sorte, THC-Gehalt (Tetrahydrocannabinol ist der Stoff mit der Rauschwirkung) und Hinweise zu Risiken des Konsums enthält.

Aber bis die Pflanzen Blüten treiben, ob zu Hause oder im Verein, vergeht Zeit. Das heißt: Auch mit der Legalisierung zum 1. April blüht weiterhin der Schwarzmarkt?

Genau das ist auch ein Kritikpunkt in der politischen Debatte. Ab dem 1. April könnten Erwachsene zwar legal mit größeren Mengen Cannabis unterwegs sein, dieses könne aber objektiv nicht aus legalen Quellen stammen, hatte Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff zuletzt kritisiert. «Vor allem die ersten Monate werden zu einem Booster für den Schwarzmarkt», warnte der CDU-Politiker.

Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) wies das zurück: Wenn jemand etwa am 2. April auf Grundlage einer eigenen angebauten Pflanze konsumiere, spiele es keine Rolle, wann die Pflanze gekauft und aufgebaut wurde oder wie viel Wasser sie hatte. Sondern es gelte: «Hier ist sie, sie ist jetzt legal, und der Konsum ist auch legal.» Die meisten deutschen Baumärkte wollen erst einmal kein entsprechendes Saatgut in ihr Sortiment aufnehmen.

Wie sieht es eigentlich im Straßenverkehr aus?

Erst einmal ändert sich nichts: Bei wem der Cannabis-Wirkstoff THC nachgewiesen wird, auch wenn der Konsum Tage zurückliegt, der begeht eine Ordnungswidrigkeit. In der Rechtsprechung hat sich dafür der niedrige Wert von 1 Nanogramm THC je Milliliter Blut etabliert, ab dem Geldbußen, Punkte und Fahrverbot drohen. Nach dem Vorbild der 0,5-Promille-Marke für Alkohol soll aber auch ein Toleranz-Grenzwert für THC kommen. Eine Expertenkommission schlug 3,5 Nanogramm vor. Erst ist aber der Bundestag am Zug, ein Gesetz dafür zu beschließen, was noch dauern dürfte.

Eigentlich wollte die Ampel doch auch den freien Verkauf von Cannabis in Drogerie-ähnlichen Geschäften ermöglichen. Was ist daraus geworden?

Das liegt auf Eis. Wegen europarechtlicher Hürden ist die Ampel von diesem ursprünglichen Ziel abgewichen und hatte angekündigt, Produktion, Vertrieb und Verkauf in speziellen Geschäften durch Unternehmen erst einmal nur regional und zeitlich begrenzt in Pilotprojekten zu erproben. Konkrete Pläne dafür liegen aber bis heute nicht vor.

Wie verbreitet ist Cannabis-Konsum überhaupt?

Cannabis ist bisher die am häufigsten genutzte illegale Droge. Dazu, wie viel jährlich zu nicht-medizinischen Zwecken konsumiert wird, liegen laut Gesundheitsministerium aber noch keine validen Daten vor.

Laut einer Studie für 2021 haben 4,5 Millionen Erwachsene nach eigenen Angaben in den zurückliegenden zwölf Monaten wenigstens einmal Cannabis konsumiert - bei Männern 10,7 Prozent und bei Frauen 6,8 Prozent. In der Altersgruppe der 18- bis 24-Jährigen war der Konsum demnach am stärksten verbreitet. Dabei bestehen Experten zufolge bis zum Alter von 25 Jahren wegen des noch anhaltenden Reifeprozesses des Gehirns besondere Risiken für psychische, physische und soziale Beeinträchtigungen.

 

Von Jörg Ratzsch und Sascha Meyer, dpa
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